Thursday, 25 December 2008

Mikael Åkerfeldt - German interview by hitparade.ch (25 Dec 2008)

Ja, es gibt sie noch, echte Ausnahmen. In einer Metalszene voll von Traditionalisten und Trendsettern gehen Opeth seit 15 Jahren unbeirrt ihren eigenen, ganz besonderen Weg, fernab jeglicher "Heavy Metal Laws" und Modeströmungen. Seit ihrem fulminanten Debüt "Orchid", das schon damals Komplexität mit Kreativität und Atmosphäre verband, hat es diese Gruppe mit jedem weiteren Album geschafft, epische und kunstvolle Musik neu zu definieren. Ihr neun Alben zählender Back-Katalog ist eine Perlenkette an beeindruckenden Offenbarungen, die das vereinigen, was bis zur Bandgründung in der Metalszene wohl wenige für vereinbar hielten. Im Kontext des Death Metals entwarfen Opeth mit den wundervollsten Elementen aus Gothic, Seventies- und Prog-Rock, Folk, Jazz und Klassik einen Klangkosmos, der seit jeher das höchste der Gefühle in der Metalwelt darstellt.
Hitparade traf Sänger, Gitarrist und Kopf der Band, Mikael Åkerfeldt.


hitparade.ch: Der Musikstil von Opeth ist ziemlich schwer zu kategorisieren. Wie würdest du deine Musik selbst beschreiben?

Åkerfeldt: Unsere Wurzeln sind ganz klar im Death Metal Genre. In all den Jahren kamen dann Einflüsse diverser Musikrichtungen dazu. Ich denke nicht, dass man Opeth einer einzigen Musikrichtung zuschreiben kann. Viele sagen es sei eine Art Progressiv Metal, aber auch einige kategorisieren uns immer noch im Death Metal Bereich. Mir ist das nicht so wichtig. Und wenn man unsere Musik als Pop bezeichnen will, soll mir recht sein. *grinst*

hitparade.ch: Seit der Bandgründung gab es zahlreiche Musikerwechsel. Inwiefern haben die verschiedenen Gitarristen/Drummer oder Bassisten Opeths Sound beeinflusst?

Åkerfeldt: Eigentlich überhaupt nicht. Ich denke nicht, dass die Musik der Band sich den einzelnen Musikern anpasste, sondern eher die Musiker an den Stil von Opeth. Vor allem seit die Band einen gewissen Bekanntheitsgrad bekommen hat, haben sich die jeweiligen Musiker mit dem Konzept Opeth auseinandergesetzt und sich auf die Musik eingestellt. Deswegen gab es intern auch nie Probleme, dass wir, was den Sound anbelangt, uns nicht einig waren. Es sind und waren immer tolle Musiker bei Opeth. Um bei dieser Band mitzuwirken, muss man einfach offen sein für etwas, dass über die klassische Heavy Metal Stilrichtung hinausgeht. Wenn ich mit einer neuen, komischen Idee ankomme, müssen die anderen offen sein und sich meine Sachen erstmal anhören, um sie verstehen zu können, oder zumindest versuchen sie zu verstehen. Was sich nun speziell geändert hat ist die Tatsache, dass Frederik Åkesson ein Leadgitarrist ist. Opeth hatte nie zuvor einen Leadgitarristen. Das hat die Spannweite von Opeth ein bisschen erweitert und Frederik und ich wechseln uns mit der Leadgitarre ab. Es gibt einfach gewisse Sachen, die ich gerne in einem Song hätte, aber schlichtweg nicht spielen kann und er kann das nun übernehmen. Das ist toll. Auch unser Drummer Martin Axenrot ist ein fantastischer Musiker. Er ist extrem musikbegeistert in jeglicher Form und sehr offen für Experimente. Es ist gut, wie er immer versucht, die Musik in der Gesamtheit zu betrachten. Vor allem Gitarristen machen immer wieder den Fehler, dass sie sich bloß auf die Gitarrenparts in einem Song konzentrieren und dabei den Überblick verlieren. Mit den jetzigen Bandmitgliedern bin ich jedoch völlig glücklich.

hitparade.ch: Wie ist das denn nun heutzutage. Bist du immer noch der Kopf der Band und inwiefern haben die anderen Bandmitglieder ein Mitspracherecht, beim Schreiben eines neuen Songs?

Åkerfeldt: Die haben immer Mitspracherecht und können jederzeit selbst Ideen einbringen. Es ist schon so, dass ich derjenige bin, der schlussendlich sagt, was wir definitiv verwenden werden und was nicht, aber als Diktator der Band sehe ich mich keinesfalls. Die meiste Zeit ist das ein sehr demokratischer Prozess. Oft beginne ich mit meinen Ideen und die anderen übernehmen es, oder interpretieren es ein wenig anders. Natürlich schreibe ich die meisten Stücke, aber grundsätzlich machen die anderen schon ihr eigenes Ding. Ich freue mich immer, wenn sie selbst auch mit Ideen kommen.

hitparade.ch: Wie kann man sich die Entstehung eines neuen Songs vorstellen? Setzt du dich in dein Studio mit dem Plan, nun einen neuen Song zu schreiben? Oder bist du allenfalls mit deiner kleinen Tochter am Spielen und hast plötzlich einen Einfall?

Åkerfeldt: Das ist ganz unterschiedlich. Aber lustig, dass du das Beispiel mit meiner Tochter genannt hast. Ich habe sehr viele Songs auf ihrer Gitarre komponiert. Ich habe ihr eine kleine Kindergitarre gekauft, auf der man ein bisschen spielen kann. Auf diesem kleinen Spielzeug habe ich mehrere Riffs gespielt. Ziemlich dunkle, böse Sachen. Wir saßen in ihrem Zimmer und haben zusammen musiziert *grinst* Meistens arbeite ich aber schon in meinem Studio und gehe oft spazieren und hör mir während dessen, die Sachen an, die ich neu aufgenommen habe. Ich habe dauernd Ideen. Es ist ziemlich verrückt, aber ich kann nicht wirklich sagen, woher sie kommen. Plötzlich sind sie einfach da.

hitparade.ch: Hast du so etwas wie eine Muse?

Åkerfeldt: Nicht wirklich, nein. In irgendeiner Weise inspirieren mich alle Menschen um mich herum. Aber meistens kommt die Inspiration urplötzlich und ich kann gar nicht mehr aufhören, an einem neuen Track zu arbeiten.

hitparade.ch: Lässt du dich auch von Musik und Musikern inspirieren?

Åkerfeldt: Durchaus. Hauptsächlich aber nicht im Heavy Metal Bereich. Ich höre privat sehr oft ältere Sachen. Ich sammle alle möglichen Platten. Es ist manchmal unfassbar, wie viel Musik ich besitze. Ich höre ununterbrochen Musik. Wenn ich am arbeiten bin, beim Spazieren, beim Arbeiten im Büro, beim Lesen, einfach immer.

hitparade.ch: Was hörst du zurzeit?

Åkerfeldt: Ich hab mir vor kurzer Zeit eine ABBA Kollektion gekauft. ABBA habe ich als Kind immer gehört und es ist erstaunlich, wie sich die Musik von ihnen jetzt für mich anhört. Es sind alles kleine Meisterwerke. Wie auch die alten Sachen von Queen. So interessant komponiert, so fröhlich und überwältigend. Wenn ich ehrlich bin, berühren mich die meisten neuen Metal-Sachen überhaupt nicht. Natürlich ist es tolle Musik, aber verglichen zu den alten Sachen fühle ich meistens gar nichts. Die meisten neuen Sachen sind dumme, brutale Songs. Natürlich ist das cool, aber verglichen zu anderem, einfach nicht der Rede wert.

hitparade.ch: Hast du eine Art Ritual, bevor du dich ans Komponieren von neuen Songs machst?

Åkerfeldt: Rituale habe ich nicht. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich wieder mal ein wenig Disziplin benötige, stehe ich morgens ziemlich früh auf, bringe die Kinder in den Kindergarten, setze mich danach kurz mit der Zeitung in die Küche und trinke einen Kaffee. Danach gehe ich ins Studio, schalte den Computer an und schließe die Gitarre, das Keyboard etc an und beginne zu arbeiten. Ich wechsle dann zwischen diversen Instrumenten, bis ich eine Idee habe, die es wert ist, weiterverfolgt zu werden. Ich habe also wirklich keine besonderen Rituale oder Besonderheiten beim Arbeiten. Wie die meisten, beginne auch ich mit einer Tasse Kaffee und warte, wohin mich der Tag bringt.

hitparade.ch: Welche Emotionen willst du mit der Musik von Opeth bei den Zuhörern wecken?

Åkerfeldt: Ich kann nicht sagen, dass ich bestimmte Emotionen wecken will. Das ist sowieso sehr individuell. Ich weiß, welche Gefühle bei mir geweckt werden. Ich sehe meistens ganz wirre Bilder, die beim zuhören vor meinem geistigen Auge erscheinen. Jeder kann die Musik von Opeth für sich selbst interpretieren. Mir ist es eigentlich auch egal, welche Gefühle unsere Musik weckt, solange sie irgendetwas in einem weckt.

hitparade.ch: Wie siehst du Opeths Zukunft? Wann können die Fans ein neues Album erwarten?

Åkerfeldt: Das kann ich nicht genau sagen. Allenfalls 2010. Ich brauche nach dem Touren wiedermal eine Pause, um mit meiner Familie Zeit zu verbringen. Ich hoffe aber, dass wir in zwei Jahren wieder frische Ideen haben und etwas Neues einspielen.

hitparade.ch: Du hast es eben angesprochen, Du bist verheiratet und hast zwei Kinder. Ist es für dich nicht hart so lang zu touren und deine Familie für längere Zeit nicht in deiner Nähe zu haben?

Åkerfeldt: Ja, das ist hart. Ich rede aber täglich mit ihnen via Computer, über Skype mit Videoübertragung. Speziell meine jüngste Tochter fremdelt immer, wenn ich lange nicht zu Hause war. Durch den täglichen Onlinekontakt, hat sich das aber ein wenig gelegt. Aber es ist ganz schön hart. Wenn meine Frau gestresst ist und mir die Ohren voll heult, weil die Kinder krank sind, oder was im Haus kaputt ist und ich irgendwo in einem Backstage hocke, ein Bier in der Hand halte und mich in einer total anderen Welt bewege. Ich habe dabei immer unendlich große Schuldgefühle, weil ich meinen Traum lebe. Andererseits bin ich auch derjenige, der damit das Geld für die ganze Familie verdient. Das Touren ist meine Arbeit. Ich bin überhaupt nicht gerne auf Tour. Während des Konzerts, auf der Bühne, genieße ich es total, aber das ganze drum herum mag ich gar nicht. Wenn ich mich zwischen den einzelnen Konzerten nach Hause beamen könnte, würde ich das jederzeit tun. Ich liebe es Konzerte zu spielen. Alles andere hasse ich.

No comments:

Post a Comment